Antifaschismus

Junge(n) mit alten Ideen – Die „Junge Alternative“ Berlin

Am Vorabend der AfD-Wahlversammlung im April kam ihre Jugend im beschaulichen Dahlem zusammen: Sie hat dafür das sogenannte „Gotenhaus“ ausgewählt. Dabei handelte es sich um das Haus der „Berliner Burschenschaft Gothia“. Diese studentische Verbindung gehört dem Dachverband „Deutschen Burschenschaft (DB)“ an. Ihre Mitglieder sind dafür bekannt, schon einmal NS-Widerstandskämpfer zu verunglimpfen oder einen „Ariernachweis“ zu fordern. Der Ort ist ein klares Bekenntnis. Wie kamen sie auf diesen Ort?

Die Antwort lautet: Jörg Sobolewski. Er ist der Bundesvorsitzende der DB und zugleich Mitglied der „Jungen Alternative (JA)“, dem AfD-Nachwuchs. Seine rassistischen Positionen sind unverkennbar, wenn er beispielsweise in Spreewalde auf einer Pegida-ähnlichen „Zukunft Heimat-“Kundgebung gegen Geflüchtete spricht. In der AfD ist er bestens integriert: Er hat einen Listenplatz (Nr. 24) für die Abgeordnetenhaus-Wahl 2016 erhalten und leitet ihren Ordnerdienst.

Burschenschaftler wie er machen den Kern der „Jungen Alternative“ aus. Der JA-Landesvorsitzende Thorsten Weiß pflegt diese Kontakte. Er sonnt sich regelrecht in ihrer Umgebung. Letztes Jahr feierte er beispielsweise bei der „Thuringia“ die Reichsgründung vom 18. Januar 1871. Der Bismarck-Verehrer Weiß zelebrierte damit seine Sympathie für autoritären-antidemokratischen Ideen. Seine kruden Geschichtsbilder legte er noch dazu offen: Den Gastvortrag hielt nämlich der Geschichtsrevisionist Stefan Scheil, der Adolf Hitler als friedensorientiert verharmlost.

Wenn der frühere Bundeswehroffizier und jetzige BWL-Student Weiß aus Reinickendorf selbst spricht, offenbart er eine unverhohlene Hetze. Er hetzt gegen Geflüchtete, „die Presse“ und alle demokratischen Parteien. Für Redeauftritte fuhr er beispielsweise nach Magdeburg, Zossen, Erfurt und Jena. Dass ihn sein Weg gleich mehrfach nach Thüringen führte, dürfte mit seiner Nähe zum AfD-Politiker Björn Höcke zu tun haben. Von dessen Rassismus, den Höcke auf eine rassenideologische Vererbungslehre stützt, haben sich Thorsten Weiß und die JA nie distanziert. Vielmehr gehört Thorsten Weiß der „Patriotischen Plattform“ in der AfD an, die die völkische Linie der Partei weiter ausbauen möchte und mit Neonazis im Mai auf dem „Merkel muss weg“-Aufzug marschierte.

Die JA Berlin möchte aber nicht nur zu rechten Aufmärschen fahren, sondern auch selbst welche veranstalten. Ihr Erfolg damit war im Herbst 2015 allerdings mäßig. Dennoch verstehen sich viele ihrer Mitglieder als Teil einer völkischen Jugendbewegung, die auch auf der Straße Präsenz zeigt. Deshalb ist die JA so eng mit der „Identitären Bewegung“ verbunden. Diese Kleinstbewegung ist vor allem von einem Hass gegen Muslim*innen getrieben. Muslim*innen dürften nach ihrer Auffassung nicht nach Europa, das zudem strikt nach Nationalstaaten getrennt sein soll. Für ihre Anhänger*innen hätten Menschen jeweils „eine Kultur“, von der sie sich nicht lösen könnten. So tarnt die „Identitäre Bewegung“ ihren Hass und ihren Rassismus. Ihr Server läuft übrigens über den Namen des JA-Landesvorstandsmitglied Jannik Brämer. Allgemein paktiert die JA europaweit mit diversen rechten, demokratiefeindlichen Kräften von Ukip über Front National und FPÖ bis zur Putin-Jugend.

Die JA-Mitglieder sind folglich sowohl antifeministisch als auch homophob eingestellt. Mit ihrer Antifeminismus-Kampagne haben sie dies zur Schau gestellt und dabei ihr Frauenbild präsentiert: Sie sehen Frauen auf eine Gebärrolle für „das Volk“ reduziert. Folgerichtig marschierten sie mit Beatrix von Storch, die auf Geflüchtete schießen lassen möchte und Abtreibungen für Teufelswerk hält, gegen den Feminismus.

Innerhalb der „Neuen Rechten“ ist die JA längst bestens verankert. Nicht umsonst finden fast alle ihrer Veranstaltung in der „Bibliothek des Konservatismus“ statt. In dieses Zentrum der völkischen Ideologie luden sie zu ihrer letzten Landeskonferenz Manuel Ochsenreiter ein. Er bewegt sich in neonazistischen Kreisen und ist Chefredakteur der rechten Zeitschrift „Zuerst!“. Zuvor schrieb er für alle wichtigen rechten Medien wie die „Junge Freiheit“, „Sezession“, „Blaue Narzisse“ oder „eigentümlich frei“. Beim Hisbollah-Fan Ochsenreiter hat Antisemitismus ebenso wie Verschwörungstheorien einen Platz – bei der JA somit auch.

Was verbindet alle diese Vorstellungen? Ein klares Feindbild. Die sich verändernde, globalisierte Welt gilt es aus Sicht der JA zu bekämpfen. Die Männer der JA – sie wählten keine Frau in ihren Landesvorstand – fürchten um ihre Privilegien. Sie fühlen sich als Elite. Dieses Gefühl ziehen sie aus der vorurteilsgeleiteten Abgrenzung gegenüber anderen. Die verbreiteten gesellschaftlichen Ressentiments helfen ihnen dabei. Ihre größte Angst ist es, dass Grenzen verschwinden könnten. Wie Thorsten Weiß in seiner Rede in Jena ausdrückte, ängstigt er sich davor, dass Grenzen sowohl zwischen Ländern als auch zwischen Geschlechtern nicht mehr klar sein könnten. Mit einer Umwälzung, die eine vermeintliche alte Ordnung wiederherstellt, wollen sie genau das verhindern. Dieser Ansatz der „Konservativen Revolution“ mit einem völkischen Nationalismus ist aber nicht besonders neu. Er half schon in der Weimarer Republik den Nazis an die Macht.

Generell ist die JA mit ihren Positionen in der Berliner AfD bestens eingebunden: Thorsten Weiß hat auf der Wahlversammlung den 9. und sein Stellvertreter Marc Vallendar 13. Listenplatz bekommen. Laut Umfragen könnten sie in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Platz 18 ist ebenfalls mit einem JA-Vorstandsmitglied, Herbert Mohr, besetzt. An den Listenplätzen für JA-Funktionäre wird deutlich, welchen völkischen Charakter die AfD angenommen hat. Im Sinne des Rechtspopulismus sehen sie das Parlament ohnehin als Hort der „Altparteien“ und der Wahlkampf dient ihnen darum nur als Mittel zum Zweck. Nicht die parlamentarische Arbeit oder pluralistische Diskussionen in Schulen sind ihre Ziele, sondern geistige Brandstiftung und eine autoritäre Ordnung – ganz nach ihrem Vorbild Otto von Bismarck. In ihr sollen gesellschaftlich Benachteiligte nichts zu sagen haben – ein kleiner Kreis an Burschenschaftler hingegen schon. Das dürfen sich Demokrat*innen – das darf sich Berlin – nicht gefallen lassen!

 

Autor:

Oliver Gaida, stellvertretender Landesvorsitzender

Der Autor: Jusos Berlin

Mit fast 5.000 Mitgliedern sind wir die größte politische Jugendorganisation Berlins. Allerdings verstehen wir uns nicht als brave Partei- oder Regierungsjugend, die zu Wahlkampfzeiten nur Plakate klebt. Vielmehr sind wir unserer Mutterpartei in kritischer Solidarität verbunden.

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